Corona Holzbuchstaben

Palliativbetreuung

In Würde sterben

In Zeiten von Covid-19 sind wir im Bereich der palliativmedizinischen Begleitung als Hausärzt:innen ebenfalls gefordert. Wie gehen wir in diesen Zeiten mit hochbetagten, multimorbiden Patient_innen um, wie ermöglichen wir ihnen eine “best supportive care” zu Hause, welche Möglichkeiten haben wir überhaupt, sie bei deutlich klinischer Verschlechterung zu Hause zu belassen? Was müssen wir dabei berücksichtigen und mit den Angehörigen kommunizieren?

Hochbetagte, multimorbide Patient:innen mit Covid-19 Erkrankung:

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass Alter und Multimorbidität mit deutlich schlechterem Überleben assoziiert sind. Aus diesem Grund sind auch Einweisungen ins Krankenhaus für diese Personengruppe sorgfältig abzuwägen. Behandelbare Komplikationen von Grunderkrankungen sind wichtig für die Entscheidungsfindung zur Krankenhausaufnahme. Die rechtlichen Aspekte des Epidemiegesetzes bei Covid-19-positiven Patienten sind hierbei zu beachten.

Aufklärung braucht Zeit, die eventuell kaum vorhanden ist. Dennoch ist eine verständliche, mehrfache und stufenweise Aufklärung über Krankheit, deren möglichen Verlauf und Prognose notwendig, um letztendlich den Willen der Patient:innen und Einverständnis mit den Angehörigen erlangen zu können!

Ärztlich organisatorische und therapeutische Aspekte:

Es gilt auch hier: Reduktion der Kontakte auf das Nötige

Telefonische Kontakte und - falls möglich - Lösungen aus dem Bereich der Telekommunikation können manche Fragestellungen bereits klären. Klare Abläufe (z.B. Rezept-und Medikamentenabholung durch Angehörige) sollten vereinbart werden.

Eine Risikoeinschätzung sowie ein konsequentes Monitoring sind wichtig. Regelmäßige telefonische Kontaktaufnahme und Übermittlung/Besprechung wichtiger Betreuungsparameter (z.B. auch Trinkmenge und Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, BZ-Werte gesicherte Einnahme der nötigen und sinnvollen Medikation, psychischer Zustand, etc.) muss stattfinden, um eine eventuelle Visiten- oder auch Einweisungsnotwendigkeit abzuschätzen.

Ein Lagerungsprotokoll bzw. auch die Einschulung der Angehörigen in richtige und regelmäßige (Um-)Lagerung sollte gegeben sein (Dekubitusprophylaxe!)

Prinzipiell gelten für betreuende Personen und Kontakte “von außen” bis hin zum letzten Moment der Sterbebegleitung das Aufrechterhalten aller notwendigen Schutzmaßnahmen zum Schutz der Angehörigen (gibt es auch vulnerable Hochrisikopersonen im Umfeld der palliativ-betreuten Person?), den/die Patient:in und medizinisches Personal - das Tragen von PSE (persönlicher Schutzausrüstung) bei pflegerischen Tätigkeiten (und Kontakten < 1m) ist einzuhalten.

Wenn es die soziale/familiäre Situation zulässt, ist zu bedenken, dass auch die “Hauptbetreuungsperson” möglichst vor einem Ausfall geschützt werden sollte (wenn möglich geht also nicht die unmittelbar betreuende Person einkaufen oder in die Apotheke, sondern werden diese Tätigkeiten an eine weitere Person delegiert).

Im Sinne der Lebensqualität sollten auch Angehörige den/die Betroffene:n noch besuchen können - unter klaren Regeln (z.B. zeitlicher Abstand zwischen den einzelnen Besuchen, konsequentes Stoßlüften, weitere Hygienemaßnahmen und Schutzausrüstung etc.)

Wichtige Fragen für den Verbleib zu Hause am Lebensende

Folgende Überlegungen sind unabhängig von Covid-19 für palliative Patienten jeglicher Fragestellung zu beachten:

  • Ist die Pflege gesichert?
  • Gibt es ein Palliativteam in der Region und wie sind deren Kapazitäten?
  • Gibt es “Reserveteams” in der eigenen oder in umliegenden Ordinationen (Ärzt:innen ohne Patientenkontakt), die in der Betreuung unterstützen könnten?
  • Welche Personen zur möglichen Betreuung im Umfeld gibt es?
  • Schutz der Pflegepersonen - neben allgemeinen Schutzmaßnahmen an Abriegelungsimpfungen denken! 
  • Schutz der betroffenen Person - bei bestehender KI zur COVID-19-Impfung (eindeutig palliative Situation mit schlechtem Allgemeinzustand, relevante medizinische Kontraindikationen): An Abriegelungsimpfung denken!
  • Risikofaktoren bzw. Alter der Betreuungspersonen (wenn Angehörige) und von Personen in Mitbetreuung beachten
  • Gibt es Angehörige, die sich auch einfache oder auch höhere pflegerische Tätigkeiten zutrauen (s.c. Gabe von Medikamenten oder Infusionen, Verbandswechsel u.ä.)?
  • Ist eine Einschulung der Angehörigen im Umgang mit allgemeinen Maßnahmen und Schutzausrüstung notwendig? (z.B. Tochter wohnt auswärts mit Kindern, übernimmt aber die Betreuung des Vaters für bestimmte Aufgaben, die hochbetagte Mutter muss aber auch geschützt werden)
  • Ausreichend Schutzausrüstung (v.a. FFP2-Masken) vorrätig halten, damit Betreuungspersonen und besuchende Angehörige sowie aufsuchende Dienste und Gesundheitsberufe jederzeit ausreichend Reserve vor Ort zu Verfügung haben. 
  • Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht vorhanden?
    • Vorhandene Patientenverfügung bei COVID-19 positiven Patient_innen: auch hier ist zwischen “Nicht-Covid” und “Covid-positiv” zu unterscheiden, die Patientenverfügung ist rechtlich dem Epidemiegesetz unterzuordnen
    • Keine Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht
  • Ermittlung des Willens der Patient_in (“beachtliche Patientenverfügung”)

Der/Die Patient:in ist noch kontaktfähig und einsichtsfähig, gemeinsam wird niedergeschrieben, dass eine Reanimation/Beatmung/Intensivstation etc. nicht mehr gewünscht wird UND dass eine Schmerztherapie in jeglicher Form durchzuführen ist, auch wenn der Tod als Folge nicht auszuschließen ist.  Dies bietet bei fehlender verbindlicher Patientenverfügung die größtmögliche Gewissheit über den Patientenwunsch.

Im Idealfall unterschreibt ein Angehöriger vor Ort mit.

  • fehlende Kontaktfähigkeit und ärztliches Ermessen

Wenn der/die Patient:in nicht mehr kontaktfähig ist und im eigenen, ärztlichen Ermessen eine weitere Therapie nur eine kurze Verlängerung des Sterbeprozesses ergeben würde, empfiehlt sich die mutmaßliche Ermittlung des Patientenwillen mit den engsten Familienangehörigen nach Erläuterung der medizinischen Situation. Ein einvernehmlicher (!) Beschluss über das weitere Vorgehen und mögliche Maßnahmen ist zu dokumentieren! 

  • Einsatz einer Erwachsenenvertretung

Selbstverständlich eine Option, zu erwarten bleibt aber, ob die Umsetzung dieser Option in entsprechender Notlage auch effektiv einsetzbar ist.

Allgemeine Informationen Erwachsenenvertretung:

https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/erwachsenenvertretung_und_vorsorgevollmacht_bisher_sachwalterschaft/Seite.2900326.html

https://www.noelv.at/vertretung-fuer-erwachsene/erwachsenenschutz-gesetz/

  • Ist Pflegegeld zuerkannt - Einstufung?

Therapeutische Aspekte:

Erstellung eines “Notfallplans” für bestimmte Symptome, angepasst an die Betreuungsressourcen und - Kompetenzen - besteht die Möglichkeit zu s.c. Gabe von Medikamenten oder Flüssigkeit? Gibt es Anbindung an ein mobiles Palliativteam?

Prinzipielle Möglichkeiten der medikamentösen Therapie im hausärztlichen Setting:

Metadaten:
Autoren: Burghuber, Eichner, Powondra
Peer Review: Rabady, Wendler, Dolcic
Letzte inhaltliche Überprüfung: 23.12.2021